Gartenstraße 6 (Detmold)
Gartenstraße 6 (Detmold) | |
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Ortsteil | Detmold (Kernstadt) |
Straße | Gartenstraße (Detmold) |
Hausnummer | 6 |
Karte | |
Adressbuch von 1901 | |
Gemeinde | Detmold |
Hausnummer | B 175 |
1878 erbaut, ehem. Quartier-Nr. B 175.
Geschichte
Teil des Reihenwohnhauses Gartenstraße 2–8, 1878 von Zimmermeister Wilhelm Schmidt nach eigenem Entwurf erbaut. Im Garten des Hauses Hornsche Straße 27, das er zwei Jahre zuvor von Bürgermeister Schierholz gekauft hatte. Gartenstraße 6 und 8 war zunächst als Doppelhaus erbaut, dessen Teilung erst 1892 erfolgte. Erster Eigentümer war der Bauherr und Entwerfer Hofzimmermeister Wilhelm Schmidt.[1] Nr. 6 ging nach der Teilung an den Korvettenkapitän Alfred Vehmeier, 1917 an Hofbuchdruckereibesitzer Otto Liesegang und schon im Jahr darauf an den Kaufmann Julius Rothenstein. Bewohnerin war damals Selma Lefmann, die ab etwa 1935 auch Eigentümerin der Hauses Gartenstraße 6 war.[2]
1937 zog Selma Leffmann zum Vater nach Nieheim, der Sohn Kurt emigrierte nach England. Nach zerstörung der Detmolder Synagoge zog hier 1938 der Synagogendiener Louis Flatow mit Frau Frieda ein, 1939 auch Sohn Max und die Schwiegertochter Alma. Nutzung des Hauses als Synagoge. Louis Flatow war zeitweise im Konzentrationslager Buchenwald und wurde Ende 1938 entlassen. Zum 1. Oktober 1939 wurde eine jüdische Schule im Haus eingerichtet, bis 30. März 1942. Die Lehrkräfte Hedwig Block, Ludwig Alexander und Louis Flatow wurden damals in das Warschauer Ghetto verschleppt, noch vor dem Schulverbot vom 7. Juli 1942.
Ab Februar 1942 Nutzung als jüdisches Altersheim für einen Mann und 13 Frauen (Leiterinnen: Auguste und Bernhardine Michaelis-Jena). Ende Juli 1942 Deportation der Bewohner*innen nach Theresienstadt, Ausnahme waren die drei Ehrmann-Kinder Hans, Karl und Ruth, da sie aus einer sog. Mischehe stammten.[3] Am 28.7.1942 Transport in Bussen nach Bielefeld, Abfahrt Bielefeld 31.7., Ankunft in Theresienstadt am 1.8.1942. Einige sind bereits dort gestorben, andere in Treblinka oder Auschwitz ermordet worden. Auch Julius Rottenstein und Selma Leffmann kamen nach Theresienstadt und sind nicht zurückgekehrt.
Am 18.10.1942 fiel das Haus an das Deutsche Reich (durch Enteignung infolge Auslandsaufenthalts des Eigentümers Rottenstein lt. XI. Verordnung des Reichsbürgergesetzes vom 25. November 1941).
1950 restituiert an Kurt Leffmann, 1953 veräußert an die Modistin Else Heine.
Eintragung in die Denkmalliste am 14.3.1989, Nr. 296.
Gebäude
Teil eines Reihenwohnhauses aus vier (ursprünglich drei) Einheiten, zweigeschossig auf hohem Souterrain, in der Mitte durch einen dreigeschossigen, vierachsigen Risalit mit Dreiecksgiebel betont. Die Mittelteile der seitlichen Flügelbauten sind zurückgesetzt und durch Zwerchhäuser betont. Die beiden äußersten Achsen mit Eingängen wiederum sind leicht vorgezogen. Die Fassaden sind mit spätklassizistischer Stuckzier versehen; der Mittelrisalit ist durch drei Kolossalpilaster gegliedert. Freitreppen und Terrassen vor dem Hochparterre.
Einfluss der Baugewerkschule Holzminden.[4]
Inschriften
Eigentümer*innen, Bewohner*innen
1884 (Adressbuch) Eigentümer: Zimmermeister Schmidt, nicht im Haus wohnend. Bewohner 1884: Gymnasial-Oberlehrer Bernhard Winkelsesser.
1887 (Adressbuch) Eigentümer: Zimmermeister Schmidt; Bewohner: Rentnerswitwe Hemken.
1891 (Adressbuch) Korvetten-Kapitän z. D. Tesdorpf.
1894 (Adressbuch) Kantor Theodor Vehmeier.
1897 (Adressbuch) Seminar-Musiklehrer Theodor Vehmeier.
1904 (Adressbuch) Seminar-Musiklehrer Theodor Vehmeier.
1909 (Adressbuch) Musikdirektor Vehmeier.
1912 (Adressbuch) Musikdirektor Vehmeier.
1914 (Adressbuch) Seminar-Musiklehrer Th. Vehmeier.
1916 (Adressbuch) Musikdirektor-Witwe Sophie Vehmeier.
1916 (Adressbuch) Eigentümer Otto Liesegang; Bewohner: Witwe Sophie Vehmeier; Lehrer Rudolf Wenske.
1918 (wikipedia) im Dezember Verkauf an Julius Rottenstein, Nieheim, Landmaschinengeschäft.
1920 (Adressbuch) Eigentümer Julius Rottenstein. Bewohner: Witwe Sophie Vehmeier.
1923 (Adressbuch) Eigentümer Julius Rottenstein. Bewohner: [Rottensteins Tochter] Selma Lef[f]mann [mit Sohn Kurt]; Witwe Johanne Katzenstein.
1925 (Adressbuch) Eigentümer Julius Rottenstein, Nieheim. Bewohnerin: Selma Lefmann.
Literatur
Gerhard Peters, Baugeschichte der Stadt Detmold, in: Geschichte der Stadt Detmold, Detmold 1953, S. 182–225, S. 215 f.
Georg Wegemann, Das Alter der Detmolder Wohnhäuser, Typoskript, Detmold 1957 (häufig mit ungenauen oder falschen Datierungen).
Frank Budde, Holz und Historismus. Der Zimmermeister Wilhelm Schmidt und seine Bauten in Detmold (Sonderveröffentlichung des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe; 76), Detmold 2005.
Wolfgang Müller, Gartenstraße 6. Zur Geschichte eines Detmolder "Judenhauses" und seiner Bewohner, Detmold 1992.
Quellen
LAV NRW OWL, D 109 / Jüdische Kultusgemeinde Detmold und Herford, Nr. 17: Schriftwechsel der jüdischen Kultusgemeinde Detmold (A–F), Laufzeit: 1950–1951, enthält u. a.: Instandsetzungsarbeiten am Haus Gartenstraße 6 in Detmold; Rückerstattungssache Leffmann betreffend Haus Gartenstraße 6, Detmold.
LAV NRW OWL, D 109 / Jüdische Kultusgemeinde Detmold und Herford, Nr. 6: Schriftwechsel der jüdischen Kultusgemeinde Detmold (K–Z), Laufzeit 1947–1948, enthält u. a.: Instandsetzung des Gebäudes Gartenstraße 6, Detmold; Beschaffung von Öfen, Heizmaterial und Glühbirnen für das Haus Gartenstraße 6; Vorbereitung zur Einweihung der Synagoge Gartenstraße 6.
LAV NRW OWL, D 109 / Jüdische Kultusgemeinde Detmold und Herford, Nr. 4: Schriftwechsel der jüdischen Kultusgemeinde Detmold (A–J), Laufzeit: 1946–1948, enthält u. a.: Einstellung eines Hausmeisters für das Haus Gartenstraße 6 in Detmold; Instandsetzung und Nutzung des Hauses Gartenstraße 6 zu gottesdienstlichen Zwecken, als Schule und als Altenheim; Einweihung der Synagoge Gartenstraße 6 am 3.7.1948 (Pessach).
LAV NRW OWL, D 109 / Jüdische Kultusgemeinde Detmold und Herford, Nr. 18: Schriftwechsel der jüdischen Kultusgemeinde Detmold (G–L), Laufzeit: 1950–1951, enthält u. a.: Beschaffung von Synagogen-Einrichtungsgegenständen; Streitigkeiten der Gemeinde mit dem Eigentümer des Hauses Gartenstraße 6, Kurt Leffmann.
LAV NRW OWL, D 109 / Jüdische Kultusgemeinde Detmold und Herford, Nr. 21: Schriftwechsel der jüdischen Kultusgemeinde Detmold (A–J), Laufzeit: 1955–1957, enthält u. a.: Einweihung des neuen Betsaals der Gemeinde (Gartenstraße) am 11.9.1955.
LAV NRW OWL, D 109 / Jüdische Kultusgemeinde Detmold und Herford, Nr. 3: Schriftwechsel der jüdischen Kultusgemeinde Detmold (A–J), Laufzeit: 1945–1947, enthält u. a.: Rückgabe und Instandsetzung des Hauses Gartenstraße 6 in Detmold; Liste der jüdischen Grundstücke im Kreis Detmold die vom Finanzamt Detmold verwaltet werden bzw. in das Eigentum der Stadt übergegangen sind; Konstituierung der jüdischen Gemeinde für den Kreis Detmold am 15.7.1946.
LAV NRW OWL, D 109 / Jüdische Kultusgemeinde Detmold und Herford, Nr. 5: Schriftwechsel der jüdischen Kultusgemeinde Detmold (K–Z), Laufzeit: 1946–1947, enthält u. a.: Rückgabe und Instandsetzung des Hauses Gartenstraße 6 in Detmold; Rückforderung der aus der 1938 zerstörten Synagoge geraubten Kultusgegenstände (Landesmuseum/Landesbibliothek); Konstituierung der Gemeinde Detmold am 15.7.1946 und Aufnahme in den Landesverband der jüdischen Gemeinden Westfalen 1947
LAV NRW OWL, L 113 / Zeitgeschichtliches Archiv für das Land Lippe und Parteiarchiv NSDAP Westfalen-Nord, Abt. Lippe , Nr. 962: Schriftwechsel mit der Gestapo, Stapo-Leitstelle Bielefeld und Außen(dienst)stelle Detmold, Laufzeit: 1939–1945, enthält u. a.: Zusammenkünfte von Juden in der Gartenstraße in Detmold.
Weblinks
https://geoportal.detmold.de/geodetims/htmy/register/geo_register.php?FT=karte&PJ=Denkmal
Einzelnachweise
- ↑ Frank Budde, Holz und Historismus. Der Zimmermeister Wilhelm Schmidt und seine Bauten in Detmold (Sonderveröffentlichung des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe; 76), Detmold 2005
- ↑ https://www.gedenkbuch-detmold.de/index.php/gedenkbuch/111-die-opfer-in-alphabetischer-reihenfolge/biographien/l-biographien/346-leffmann-selma-geb-rottenstein
- ↑ Wolfgang Müller, Gartenstraße 6. Zur Geschichte eines Detmolder "Judenhauses" und seiner Bewohner, Detmold 1992.
- ↑ Frank Budde, Holz und Historismus. Der Zimmermeister Wilhelm Schmidt und seine Bauten in Detmold (Sonderveröffentlichung des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe; 76), Detmold 2005.