Bergstraße 19 (Lage): Unterschied zwischen den Versionen

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==Erinnerung in ''Welchert, Ich schrieb es auf''==
==Erinnerung in ''Welchert, Ich schrieb es auf''==
"Das Seiler Siekmann'sche Haus, Bergstraße 19, war ein altes schönes Fachwerkhaus aus dem Jahre 1663 mit einem vorspringenden Erker, der weit in die Gehbahn ragte. Das Haus hatte noch die alte zweiteilige Hekentür. Im Innern des Hauses, auf der „Deele", hingen lange Seile an den Wanden. Der alte Seilermeister war ein äußerst fleißiger Mann, der sein Gewerbe mit Umsicht und Ausdauer betrieb.
Ja, längs der Friedhofsmauer in der Eichenallee war der alte Handwerksmeister dabei, dicke Seile zu drehen. Hier ging er, mit einer blauleinenen Schürze angetan, in welcher sich Flachs und Hede befanden, längs der Friedhofsmauer auf und ab, von seinem Seilerhäuschen, das sich am oberen Ende der Bahn befand, bis ans untere Ende, wo sich eine Haspel oder ein Kreuz befand.
Für unsere Jugend war dies eine recht interessante Beschäftigung, man sah gern dem alten Seilermeister mit seinen Silberlocken bei seiner Arbeit zu. Als die Anlage einer Gehbahn an der Bergstraße akut wurde, und der Siekmann'sche Erker im Wege war, kaufte die Stadt im Januar 1914 den Erker an.
Nach dem Abbruch des alten Hauses im Jahre 1914 wurde sofort mit einem Neubau begonnen. Durch die Kriegsereignisse verzögerte sich jedoch die Fortführung des Baues derart, daß der Rohbau erst im Jahre 1918 fertig wurde. Als der alte Herr das Zeitliche gesegnet hatte, wurde von seinen Erben der heutige Bau errichtet. Das Handwerk der alten Seilerzunft war mit ihm in unserem Städtchen erloschen. Die Nachfolger widmeten sich mehr dem Verkauf von Kinderwagen und Spielsachen."<ref>Clara Arabin-Welchert, Ich schrieb es auf, 1962, S. 212</ref>


==Literatur==
==Literatur==

Version vom 23. April 2025, 13:10 Uhr

Bergstraße 19 (Lage)
OrtsteilLage (Kernstadt)
StraßeBergstraße (Lage)
Hausnummer19
Karte
Adressbuch von 1901Ja
GemeindeKernstadt
Hausnummer074

Das heutige Gebäude Bergstraße 19 wurde 1915–1918 als Geschäftshaus mit Ladenlokal im Erdgeschoss und zwei darüber liegenden Wohngeschossen errichtet.

Vorgängerbau war ein 1663 errichtetes und 1915 abgerissenes Fachwerkhaus, ein Vierständerbau mit linksseitiger, zweigeschossiger Utlucht. Die Hausstelle trug die historische Stätten-Nr. 33, später die Hausnummer 74.

Geschichte

Das ehemals Bade'sche, seit 1860 Siekmann'sche Fachwerkhaus. Auf der Bank vor dem Haus sind der Seilermeister Heinrich Siekmann, seine Ehefrau Paula (geb. Berger) sowie der älteste Sohn Walter zu erkennen, um 1908, Foto: Archiv Siekmann
»Draht-, Hanf- und Bodenseile in allen Längen und Stärken, Ackerleinen, Krenzleinen, Waschleinen, Gerüststränge, Zugstränge, Fliegennetze und Ohrenklappen für Pferde, Zimmerer-Schnüre, Maurer-Schnüre. Fischnetze, Marktnetze, Schellenzüge, Hängematten, sowie sämmtliche Seilerwaren empfiehlt billigst H. Siekmann, Lage in Lippe, Seilermeister.« (Lippische Landeszeitung 1904)
Das schräg in die Straßenflucht der modernisierten Bergstraße hineinragende Siekmann'sche Fachwerkhaus, ca. 1909 von der Friedenseiche aus fotografiert, Postkarte Archiv Siekmann
Im Jahr 1915 wurde das schräg in die Straßenflucht hineinragende Fachwerkhaus abgerissen, um ein dreigeschossiges Geschäftshaus zu errichten. (Foto: Archiv Siekmann)
Das Foto (um 1920) zeigt den Neubau; aus der vormaligen Seilerei war ein Geschäft für Seiler- und Korbwaren geworden. Heinrich Siekmann (1872 – 1928) sitzt in einem Korbsessel. (Foto: Archiv Siekmann)

In den ersten anderthalb Jahrhunderten nach seiner Errichtung (1663) wurde das 17. Jahrhundert typische Ackerbürgerhaus von der Familie Bade (Baade) bewohnt. Nach mehreren kürzerfristigen Besitzerwechseln ab 1826 wurde es 1860 vom Seilermeister Henrich Ludwig Siekmann (*1828) gekauft, der dort sein Gewerbe betrieb und mit seiner Familie lebte. Siekmann betrieb seine Seiler(Reeper)bahn entlang der Friedhofsmauer an der Eichenallee. Zum Haus gehörte ein kleiner Garten mit Brunnen, der 1891 dem Schwiegersohn Klempner Fritz Sigges als "Brautschatz" überschrieben wurde. Hier wurde wenige Jahre später die Neuwohnerstätte Nr. 486, heute Bergstr. 17, errichtet.

Auch Henrich Ludwigs Sohn Heinrich Siekmann (*1872) lernte das Seilerhandwerk und führte den Betrieb ab 1898 fort. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Lagenser Innenstadt mehr und mehr alte Häuser durch größere Geschäftshäuser ersetzt und die Straßenfluchten bereinigt wurden, wurde schließlich auch das zuweilen als "Verkehrshindernis" wahrgenommene Siekmann'sche Fachwerkhaus im Jahre 1915 abgerissen und durch einen (kriegsbedingt erst) 1918 fertiggestellten Neubau ersetzt. Die Seilerei wandelte sich über einen Seilerbedarf- und Korbwarenladen schließlich in Spielwarengeschäft (Kinderwagen waren seinerzeit Körbe auf Rädern).

Gebäude

Inschriften

Torbogeninschrift:

ANNO 1663 DEN 10. JULI HABEN DIESES HAUS BAUWEN LASSEN JURGEN SUNDERMAN UNDT ILSABEIN BADE

Eigentümer*innen, Bewohner*innen

Jobst Bade (1726)

Johann Henrich Baade (1800)

Witwe Bade (1822)

Simon Stüker (1826)

Simon Räker/Reeker/Redecker (1844)

Simon Höring (1859)

Seilermeister Henrich Siekmann sen. (1860)

Seilermeister Heinrich Siekmann jun. (1898)

Kaufmann Walter Siekmann (1928)

Erinnerung in Welchert, Ich schrieb es auf

"Das Seiler Siekmann'sche Haus, Bergstraße 19, war ein altes schönes Fachwerkhaus aus dem Jahre 1663 mit einem vorspringenden Erker, der weit in die Gehbahn ragte. Das Haus hatte noch die alte zweiteilige Hekentür. Im Innern des Hauses, auf der „Deele", hingen lange Seile an den Wanden. Der alte Seilermeister war ein äußerst fleißiger Mann, der sein Gewerbe mit Umsicht und Ausdauer betrieb. Ja, längs der Friedhofsmauer in der Eichenallee war der alte Handwerksmeister dabei, dicke Seile zu drehen. Hier ging er, mit einer blauleinenen Schürze angetan, in welcher sich Flachs und Hede befanden, längs der Friedhofsmauer auf und ab, von seinem Seilerhäuschen, das sich am oberen Ende der Bahn befand, bis ans untere Ende, wo sich eine Haspel oder ein Kreuz befand. Für unsere Jugend war dies eine recht interessante Beschäftigung, man sah gern dem alten Seilermeister mit seinen Silberlocken bei seiner Arbeit zu. Als die Anlage einer Gehbahn an der Bergstraße akut wurde, und der Siekmann'sche Erker im Wege war, kaufte die Stadt im Januar 1914 den Erker an. Nach dem Abbruch des alten Hauses im Jahre 1914 wurde sofort mit einem Neubau begonnen. Durch die Kriegsereignisse verzögerte sich jedoch die Fortführung des Baues derart, daß der Rohbau erst im Jahre 1918 fertig wurde. Als der alte Herr das Zeitliche gesegnet hatte, wurde von seinen Erben der heutige Bau errichtet. Das Handwerk der alten Seilerzunft war mit ihm in unserem Städtchen erloschen. Die Nachfolger widmeten sich mehr dem Verkauf von Kinderwagen und Spielsachen."[1]

Literatur

Roland Siekmann: Das Haus Siekmann an der Bergstraße und seine Nachbarschaft am „Ehlentruper Gang“. In: Historisches Jahrbuch Lage 2019, Lippe Verlag 2019, S. 71-92.

Quellen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Clara Arabin-Welchert, Ich schrieb es auf, 1962, S. 212

Autor*innen

Roland Siekmann

Seitenhistorie

Seite erstellt am 28.10.2024 von Roland Siekmann

Letzte Änderung am: 23.04.2025 von Roland Siekmann