Marktstraße 5 (Schwalenberg): Unterschied zwischen den Versionen
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Ehem. (ab 1808) Schwalenberg Nr. 91, Drostenhof oder Berninghauser (auch: Barninghauser) Hof, Amthaus, bis 1938 Geschäftshaus der jüdischen Familie Bachrach. 1926 Adresse Mittelstraße 91a, 1945–1970 Hausnr. 159. | {{Hausstätte info | ||
|Straße=Marktstraße (Schwalenberg) | |||
|Hausnummer=5 | |||
|Ortsteil=Schwalenberg | |||
|Koordinaten=51.87745, 9.19774 | |||
|Ortsteil1901=Schwalenberg | |||
|Hausnummer1901=091 | |||
}}Ehem. (ab 1808) Schwalenberg Nr. 91, Drostenhof oder Berninghauser (auch: Barninghauser) Hof, Amthaus, bis 1938 Geschäftshaus der jüdischen Familie Bachrach. 1926 Adresse Mittelstraße 91a, 1945–1970 Hausnr. 159. | |||
==Geschichte== | ==Geschichte== | ||
Das Amthaus wurde 1595, vier Jahre nach dem Stadtbrand, vor dem Alten Tor, aber noch innerhalb des Knicks, der die Stadt umgab, erbaut. Bauherr war der Schwalenberger Amtmann Falk Arend von Oeynhausen. Umbau 1827/28, Erneuerung des Erkers [Zwerchhaus], abgängig. Die noch von Baurat Theodor von Natorp 1823 veranschlagte Erneuerung des Erkers ließ Ferdinand Brune 1827/28 ausführen. Wegen einer nachträglichen Vergrößerung um 3 Fuß in der Länge und 5 Fuß in der Breite verteuerte sich der Bau. | Das Amthaus wurde 1595, vier Jahre nach dem Stadtbrand, vor dem Alten Tor, aber noch innerhalb des Knicks, der die Stadt umgab, erbaut. Bauherr war der Schwalenberger Amtmann Falk Arend von Oeynhausen. Umbau 1827/28, Erneuerung des Erkers [Zwerchhaus], abgängig. Die noch von Baurat Theodor von Natorp 1823 veranschlagte Erneuerung des Erkers ließ Ferdinand Brune 1827/28 ausführen. Wegen einer nachträglichen Vergrößerung um 3 Fuß in der Länge und 5 Fuß in der Breite verteuerte sich der Bau. | ||
1877 erwarb der Hauseigentümer Simon Bachrach das Nachbarhaus Albert, [[Marktstraße 3 (Schwalenberg)|Schwalenberg Nr. 130]].<ref>LAV NRW OWL, L 108 Schwalenberg Nr. 740.</ref> Vor 1901 (Adressbuch) Verkauf an Fritz Tippenhauer, der hier 1900 [i] neu baute. | |||
Im März 1933 drangen nachts uniformierte Männer gewaltsam in das Geschäftshaus ein und durchsuchten es. Am 1. April 1933 musste der Gustav Bachrach bestätigen, dass er keinen Schadenersatz beanspruche.<ref>{{HengstHandbuch2013}}, S. 696.</ref> Während des Novemberpogroms 1938 wurden die Geschäfts- und Wohnräume des abwesenden Gustav Bachrach verwüstet und das Haus wurde anschließend polizeilich versiegelt. Im Bericht der Gendarmerie Schwalenberg heißt es, die Bevölkerung würde es begrüßen, wenn das Geschäft „alsbald von einer arischen Person“ geführt werde, zumal es in der näheren Umgebung das einzige größere Manufakturwarengeschäft sei. Gustav Bachrach sowie der Handlungsgehilfe Willi Harf wurden vom 12.–21.11.1938 im KZ Buchenwald inhaftiert. Danach zog Gustav Bachrach mit seiner Familie zu einer Schwester nach Hannover. Die Stadt Schwalenberg machte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch und kaufte das Haus im Dezember 1938 für 20.000 Reichsmark. Im Rahmen der Rückerstattung forderte die JTC von der Stadt Schwalenberg eine Entschädigung für das Haus der Familie Bachrach. Man einigte sich auf eine Zahlung in 2 Raten in den Jahren 1951 und 1952, deren Summe geringer war als der Kaufpreis 1938.<ref>{{HengstHandbuch2013}}, S. 697.</ref> | |||
==Gebäude== | ==Gebäude== | ||
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[[Datei:SCHWA-Marktstr5_Tsungam2012.jpg|thumb|Marktstraße 5, ehem. Amthaus, bis 1938 Haus Bachrach, 2012, Foto: Magnus Titho]] | [[Datei:SCHWA-Marktstr5_Tsungam2012.jpg|thumb|Marktstraße 5, ehem. Amthaus, bis 1938 Haus Bachrach, 2012, Foto: Magnus Titho]] | ||
Zweisöckigiger Fachwerkbau, giebelständig. Stockwerkvorkragungen mit Zahnschnittdekor. Angebauter Amthaus-Erker, eine mit Backstein ausgemauerte Fachwerkkonstruktion, wurde an der Wetterseite verbrettert. Das abgewalmte Dach ist mit Sollingplatten gedeckt und mit hölzernen Rinnen versehen (1827/28). | |||
===Scheune=== | ===Scheune=== | ||
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==Inschriften== | ==Inschriften== | ||
Auf dem Kehlbalken: WER GODT VORTRUWET DE HED WOL GEBUWET 1595. | [[Datei:SCHWA-Marktstr5_1_W_3.png|thumb|Marktstraße 5, Inschrift auf dem Kehlbalken, Zeichnung, nach 1866, Emil Zeiß, LLB: 1 W 3]] | ||
Auf dem Kehlbalken: WER GODT VORTRUWET DE HED WOL GEBUWET 1595. [Die Zeichnung von Emil Zeiß mit abweichendem Wortlaut.] | |||
Auf der Schwelle: FURCHT GOT UND EHR DIE ELTERN DEIN / DEMUT LAS DIR GEFELIG SEIN / SEI FLEISIG BLEIB IM NIDRIGN STAND / SO WIRD DICH SEGNEN GOTS HANDT. | Auf der Schwelle: FURCHT GOT UND EHR DIE ELTERN DEIN / DEMUT LAS DIR GEFELIG SEIN / SEI FLEISIG BLEIB IM NIDRIGN STAND / SO WIRD DICH SEGNEN GOTS HANDT. | ||
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1781 (Salbuch) Herrschaftl. Amthaus olim von Barninghauser Hoff, paderbornisch. | 1781 (Salbuch) Herrschaftl. Amthaus olim von Barninghauser Hoff, paderbornisch. | ||
1808 Heinemann Bachrach.<ref>{{EckartSchwalenberg2008}}, S. 499.</ref> | 1808 Heinemann Bachrach.<ref>{{EckartSchwalenberg2008}}, S. 499.</ref> Heinemann Abraham Bachrach, * ca. 1743 in Lauenvörde, † 6.2.1832 in Schwalenberg, oo Hanne Jonas, * ca. 1744 in Lüdge, † 11.8.1811, Eltern: Jonas und Gundel. Kinder waren (Aufzählung nicht vollständig): | ||
* 1. Abraham Bachrach, * um 1780, † ?, oo 25.3.1818 Frommet Rothschild, 21 Jahre alt (Eltern: Joseph Rothschild und Hanne Samson), * um 1797 in Menkhausen, † 12.4.1870 in Schwalenberg. | |||
* 2. Ruben Bachrach, * um 1782, † 5.3.1872.<ref>LAV NRW OWL, P 2 Nr. 16.</ref> | |||
1828 (Volkszählung) Abraham Bachrach mit Frau und 2 Söhnen, einem männlichen Hausgenossen, 1 weibl. und 1 männl. Dienstboten. | 1828 (Volkszählung) Abraham Bachrach mit Frau und 2 Söhnen [Joseph und Samson, s. u.], einem männlichen Hausgenossen, 1 weibl. und 1 männl. Dienstboten. Abraham Bachrach und Frommet geb. Rothschild hatten 9 Kinder:<ref>LAV NRW OWL, P 2 Nr. 16.</ref> | ||
* 1. Joseph * 10.9.1821, † 18.6.1842 | |||
* 2. Hanne * 28.4.1822, † 28.12.1825 | |||
* 3. Jonas * 16.11.1824, † 13.12.1827 | |||
* 4. Samson * 6.12.1826, oo 18.1.1864 Bertha Michaelis, * um 1837 in Menkhausen (Eltern Feist Michaelis und Henriette Blank) | |||
* 5. Ephraim * 4.2.1829 (lebt 1870 in Lemgo) | |||
* 6. Marianne * 30.3.1831, oo J. Steinberg/Gronau | |||
* 7. Rieke * 10.7.1833, oo Oswald/Münster | |||
* 8. Heinemann * 31.12.1835, † 31.3.1836 | |||
* 9. Israel * 4.4.1837. † 28.6.1837 | |||
1835 (Viehzählung) Bachrach.<ref>{{EckartSchwalenberg2008}}, S. 502.</ref> | 1835 (Viehzählung) Bachrach.<ref>{{EckartSchwalenberg2008}}, S. 502.</ref> | ||
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1854 (Salbuch 1854) Bachrach. | 1854 (Salbuch 1854) Bachrach. | ||
1864 (Viehzählung) Samson Bachrach, Kaufmann.<ref>{{EckartSchwalenberg2008}}, S. 507.</ref> | 1864 (Viehzählung) Samson Bachrach, Kaufmann.<ref>{{EckartSchwalenberg2008}}, S. 507.</ref> Samson Bachrach und Bertha geb. Michaelis hatten 9 Kinder:<ref>LAV NRW OWL, P 2 Nr. 16.</ref> | ||
* 1. Johanne * 22.12.1865, † 5.12.1872 | |||
* 2. Mathilde * 13.5.1867, † 18.1.871 | |||
* 3. Ida * 27.6.1868 | |||
* 4. Fanny * 23./24.6.1870, † 22.8.1870 | |||
* 5. Albrecht * 19.1.1872, † 12.9.1872 | |||
* 6. Sophie * 2.12.1873, † 12.1.1874 | |||
* 7. Gustav * 19.7.1875, oo nach Mai 1939 Franziska Fränze Wolfstein, geschiedene Landsberg, * 17.8.1896 in Bochum. Gustav Bachrach vom 12.–21.11.1938 im Anschluss an die November-Pogrome im KZ Buchenwald, danach Umzug zu Verwandten Hannover, 3./4.9.1941 im Zug der „Aktion Lauterbacher“ Zwangsumzug in das "Judenhaus" Wunstorfer Straße 16 a, Gustav und Franziska am 15.12.1941 nach Riga deportiert mit Sohn Gerd (aus 1. Ehe) und Ex-Ehemann Ludwig Landsberg, am 9.8.1944 nach Stutthof, Gustav und Franziska beide für tot erklärt. | |||
* 8. Rudolph * 5.3.1877, oo 12.10.-1909 in Breslau Alice Glaser * 6.4.1885 in Neumarkt/Schlesien (jetzt Sroda Slaska/PL), Eltern Amalie und Paul Glaser. 1 Kind Karl, * 8.8.1912 in Berlin-Charlottenburg. Am 10. August 1939 die Aufnahme der Eheleute in die evangelische Kirche genehmigt, beide am 17. August 1939 von Vikar Wolfgang Saß in der St.-Annen-Kirche getauft. Von Berlin (Sammellager Gerlachstraße) am 3.10.1942 deportiert in das Ghetto Theresienstadt, dort am 22. November 1942 ermordet.<ref>[https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/].</ref> | |||
* 9. Julius * 16.7.1879, oo Olga Neufeld aus Plettenberg († in einem Konzentrationslager), * um 1913 Helmut, † 1918 an Diphterie, Marianne * um 1920 (1936 in die Schweiz, von dort 1939 in die USA emigriert, † 2017 in Miami). † 5.9.1942 in Litzmannstadt (Lodz), Ghetto. Bis 15.12.1938 im Konzentrationslager Sachsenhausen, am 22.10.1941 Deportation nach Litzmannstadt (Lodz), dort am 5.9.1942 ermordet.<ref>[https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/].</ref> | |||
1901 (Adressbuch) Samson Bachrach, Kaufmann. | 1901 (Adressbuch) Samson Bachrach, Kaufmann. | ||
1926 (Adressbuch) A. H. Bachrach, Inhaber S. Bachrach, Manufakturwaren. | 1926 (Adressbuch) A. H. Bachrach, Inhaber S. [recte: Gustav] Bachrach, Manufakturwaren. | ||
==Literatur== | ==Literatur== | ||
{{HengstHandbuch2013}}. | |||
{{KleinmannsLandbaumeister2024}}, S. 106 u. 167. | {{KleinmannsLandbaumeister2024}}, S. 106 u. 167. | ||
Roland Linde, Heinrich Stiewe, Schwalenberg (Lippische Kulturlandschaften, 45). Detmold 2020. | |||
==Quellen== | ==Quellen== | ||
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LAV NRW OWL, L 95 V / Haus Lippe-Biesterfeld, Nr. 1653: Anstellung der Amtmänner zu Schwalenberg, 1640-1683. | LAV NRW OWL, L 95 V / Haus Lippe-Biesterfeld, Nr. 1653: Anstellung der Amtmänner zu Schwalenberg, 1640-1683. | ||
LAV NRW OWL, L 108 Schwalenberg / Amt Schwalenberg, Nr. 740: Verkauf des Wohnhauses der Stätte Albert Nr. 130, Schwalenberg, an den Kaufmann S. Bachrach, Schwalenberg, 1877-1879. | |||
LAV NRW OWL, L 104 / Lippischer Landeskonservator, Nr. 19: Stadt Schwalenberg, 1906-1951. | |||
LLB, 1 W 3: Zeichnung der Inschrift auf dem Kehlbalken, Emil Zeiß, 1866 oder später. | LLB, 1 W 3: Zeichnung der Inschrift auf dem Kehlbalken, Emil Zeiß, 1866 oder später. | ||
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