Am Markt 38 (Bad Salzuflen): Unterschied zwischen den Versionen

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|Adressbuch1901=Ja
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|Ortsteil1901=Salzuflen (Kernstadt)
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|Hausnummer1901=Marktstraße 01
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}}Die sogenannte „Brandes’sche Apotheke“, bis 1878 Salzuflen Nr. 6, zwischen 1878 und 1933 Marktstraße 1.<ref>{{PölertHäuser1960}}, Nr. 6.</ref> Im Adressbuch von 1938 als "Adolf-Hitler-Straße 38" verzeichnet.<ref>Adressbuch für die Städte Schötmar und Bad Salzuflen, Schötmar 1938, S. 18.</ref>
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}}Die sogenannte „Brandes’sche Apotheke“, bis 1878 Salzuflen Nr. 6, zwischen 1878 und 1933 Marktstraße 1.<ref>{{PölertHäuser1960}}, Nr. 6.</ref> Im Adressbuch von 1938 als „Adolf-Hitler-Straße 38“ verzeichnet.<ref>Adressbuch für die Städte Schötmar und Bad Salzuflen, Schötmar 1938, S. 18.</ref>


==Geschichte==
==Geschichte==
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Seit den 1790er Jahren gehört das Gebäude der bis heute namensgebenden Familie Brandes, die dort 1792 die bis heute bestehende Apotheke einrichtete und einen der berühmtesten Bürger der Stadt hervorbrachte: den „Hof- und Medicinalrath“ Dr. Rudolph Brandes.<ref>vgl. Ebd.</ref>
Seit den 1790er Jahren gehört das Gebäude der bis heute namensgebenden Familie Brandes, die dort 1792 die bis heute bestehende Apotheke einrichtete und einen der berühmtesten Bürger der Stadt hervorbrachte: den „Hof- und Medicinalrath“ Dr. Rudolph Brandes.<ref>vgl. Ebd.</ref>


Brandes wurde am 19. Oktober 1796 als Sohn des Braunschweiger Apothekers Johann Gottlieb Brandes (1751-1816) und der Salzufler Pfarrerstochter Friederike Nolte geboren und wuchs im elterlichen Haus an der Marktstraße, heute „Am Markt 38“, auf. Nach dem Abitur am Ratsgymnasium Osnabrück absolvierte er in der dortigen Hirsch-Apotheke, deren Besitzer Rudolf Meyer ein langjähriger Freund seines Vaters war, eine Lehre. Ab 1815 begann er dann ein umfangreiches Studium der Pharmazie, Chemie, Botanik, Mineralogie, Logik und Mathematik in Halle, Erfurt und Jena. Wegen des frühen Todes beider Eltern musste er dieses Studium früh abschließen und promovierte bereits 1817 in Jena mit einer Arbeit über Strontiumminerale. Nach der Absolvierung des Apotheker-Examens im Fürstentum Lippe konnte Brandes am 20. Januar 1819 schließlich die väterliche Apotheke übernehmen.<ref>. vgl. Jürgen Scheffler, Aufbruch in die Moderne. Salzuflen vom letzten Drittel des 18. Jahrhunderts bis zur Gründung des Kaiserreiches, in: Franz Meyer (Hrsg.), Bad Salzuflen. Epochen der Stadtgeschichte, Bielefeld 2007, S. 149-191, hier S. 159-162.</ref>
Brandes wurde am 19. Oktober 1796 als Sohn des Braunschweiger Apothekers Johann Gottlieb Brandes (1751-1816) und der Salzufler Pfarrerstochter Friederike Nolte geboren und wuchs im elterlichen Haus an der Marktstraße, heute „Am Markt 38“, auf. Nach dem Abitur am Ratsgymnasium Osnabrück absolvierte er in der dortigen Hirsch-Apotheke, deren Besitzer Rudolf Meyer ein langjähriger Freund seines Vaters war, eine Lehre. Ab 1815 begann er dann ein umfangreiches Studium der Pharmazie, Chemie, Botanik, Mineralogie, Logik und Mathematik in Halle, Erfurt und Jena. Wegen des frühen Todes beider Eltern musste er dieses Studium früh abschließen und promovierte bereits 1817 in Jena mit einer Arbeit über Strontiumminerale. Nach der Absolvierung des Apotheker-Examens im Fürstentum Lippe konnte Brandes am 20. Januar 1819 schließlich die väterliche Apotheke übernehmen.<ref> vgl. Jürgen Scheffler, Aufbruch in die Moderne. Salzuflen vom letzten Drittel des 18. Jahrhunderts bis zur Gründung des Kaiserreiches, in: Franz Meyer (Hrsg.), Bad Salzuflen. Epochen der Stadtgeschichte, Bielefeld 2007, S. 149-191, hier S. 159-162.</ref>


Neben seinem Betrieb widmete er sich einem breiten Spektrum an naturwissenschaftlichen, publizistischen, sozialen und politischen Tätigkeiten, die ihm bald auch zu überregionaler Bekanntheit verhalfen. So war er Mitgründer des 1820 in Minden gebildeten und 1921 in „Apotheker-Verein für das nördliche Teutschland“ umbenannten Vereins, dessen Oberdirektor er bis zu seinem Tode blieb. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Abhandlungen, etwa zu den Mineralquellen von Pyrmont und Meinberg, oder zu Sanitär- und Hygienefragen. Zweimal, 1820 und 1828, traf er Johann Wolfgang Goethe in Weimar und verfasste nach dessen Tod einen Nachruf auf den berühmten Zeitgenossen im „Archiv der Pharmacie“. Außerdem war Brandes Mitglied zahlreicher lippischer, deutscher und internationaler Organisationen, Verbände und Vereine. Seit der Gründung der „Armenkomission“ gehörte er dieser Institution an und hatte in diesem Kontext insbesondere die Aufsicht über das Salzufler Armenhaus. Weitere Aspekte seines Engagements bestanden in seiner Mitgliedschaft im Magistrat in der Schulkommission zwischen 1835 und 1842 sowie der Einrichtung zweier wohltätiger Stiftungen zur Vergabe von Stipendien und der Unterstützung bedürftiger Stadtbewohner. Mit gerade einmal 47 Jahren verstarb der berühmte Pharmazeut, Magistrat und Publizist am 03. Dezember 1842 an den Folgen einer „Unterleibskrankheit“ und eines „Hirnleidens“.<ref>vgl. Ebd.</ref>  
Neben seinem Betrieb widmete er sich einem breiten Spektrum an naturwissenschaftlichen, publizistischen, sozialen und politischen Tätigkeiten, die ihm bald auch zu überregionaler Bekanntheit verhalfen. So war er Mitgründer des 1820 in Minden gebildeten und 1921 in „Apotheker-Verein für das nördliche Teutschland“ umbenannten Vereins, dessen Oberdirektor er bis zu seinem Tode blieb. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Abhandlungen, etwa zu den Mineralquellen von Pyrmont und Meinberg, oder zu Sanitär- und Hygienefragen. Zweimal, 1820 und 1828, traf er Johann Wolfgang Goethe in Weimar und verfasste nach dessen Tod einen Nachruf auf den berühmten Zeitgenossen im „Archiv der Pharmacie“. Außerdem war Brandes Mitglied zahlreicher lippischer, deutscher und internationaler Organisationen, Verbände und Vereine. Seit der Gründung der „Armenkomission“ gehörte er dieser Institution an und hatte in diesem Kontext insbesondere die Aufsicht über das Salzufler Armenhaus. Weitere Aspekte seines Engagements bestanden in seiner Mitgliedschaft im Magistrat in der Schulkommission zwischen 1835 und 1842 sowie der Einrichtung zweier wohltätiger Stiftungen zur Vergabe von Stipendien und der Unterstützung bedürftiger Stadtbewohner. Mit gerade einmal 47 Jahren verstarb der berühmte Pharmazeut, Magistrat und Publizist am 03. Dezember 1842 an den Folgen einer „Unterleibskrankheit“ und eines „Hirnleidens“.<ref>vgl. Ebd.</ref>  
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[[Datei:Am_Markt_38_Stephan_09_04_2025_03.jpg|thumb|Die „Brandes’sche Apotheke“ in Bad Salzuflen, Foto: Lennart Stephan, 2025]]
[[Datei:Am_Markt_38_Stephan_09_04_2025_03.jpg|thumb|Die „Brandes’sche Apotheke“ in Bad Salzuflen, Foto: Lennart Stephan, 2025]]


Das Gebäude, heute unter der Adresse „Am Markt 38“ geführt, liegt am namensgebenden historischen Marktplatz der Stadt Bad Salzuflen. Das fünfachsige Haus umfasst drei Geschosse. Die Inschrift an der Auslucht (Niederdeutsch „Utlucht“) gibt für das Haus in der beschriebenen Form das Erbauungsjahr 1620 an, wobei der steinerne Unterbau wohl älteren Datums ist.<ref><{{WiesekopsiekerInschriften2011}}, S. 6-8.</ref>
Das Gebäude, heute unter der Adresse „Am Markt 38“ geführt, liegt am namensgebenden historischen Marktplatz der Stadt Bad Salzuflen. Das fünfachsige Haus umfasst drei Geschosse. Die Inschrift an der Auslucht (Niederdeutsch „Utlucht“) gibt für das Haus in der beschriebenen Form das Erbauungsjahr 1620 an, wobei der steinerne Unterbau wohl älteren Datums ist.<ref>vgl.
{{WiesekopsiekerInschriften2011}}, S. 6-8.</ref>


Historisch interessant ist das Gebäude nicht nur aufgrund der Architektur und der teilweise sehr prominenten Bewohnerschaft, sondern auch aufgrund der zwischen 1620 und 1931 entstandenen Inschriften. Diese wurden 1931 bei der Restaurierung des Hauses wieder freigelegt, mussten aber aufgrund der teilweisen Zerstörung rekonstruiert werden. Zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und 1931 war der Giebel, der Mode der Zeit entsprechend, verputzt.<ref>vgl. Ebd.</ref>
Historisch interessant ist das Gebäude nicht nur aufgrund der Architektur und der teilweise sehr prominenten Bewohnerschaft, sondern auch aufgrund der zwischen 1620 und 1931 entstandenen Inschriften. Diese wurden 1931 bei der Restaurierung des Hauses wieder freigelegt, mussten aber aufgrund der teilweisen Zerstörung rekonstruiert werden. Zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und 1931 war der Giebel, der Mode der Zeit entsprechend, verputzt.<ref>vgl. Ebd.</ref>
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IOST KLOET . ANNA MENCKHVSEN: HEBBEN DIS HES GEBWET: 1620
IOST KLOET . ANNA MENCKHVSEN: HEBBEN DIS HES GEBWET: 1620


Für die Inschrift am Schwebebalken ist zu beachten, dass diese bei der Abtragung des Putzes im Jahr 1931 derart zerstört vorgefunden wurden, dass die Wörter teilweise rekonstruiert werden mussten. Der Bad Salzufler Historiker und Latinist Dr. Stefan Wiesekopsieker geht aufgrund des Versmaßes und der fehlerhaften Zahlenchiffre – die Gesamtzahl der Buchstaben in der rekonstruierten Fassung entspricht nicht dem Wert 1620, zugleich das Erbauungsdatum - davon aus, dass das in diesem Kontext gewählte Wort „BENEDICE“ mit großer Sicherheit nicht der Ursprungsform entspricht. Denkbar sei eher eine Inschrift nach der Art „DANTE DEO IOVA NIL VALET INVIDIA“ [Deutsch: Wenn Gott, der Herr, (es) vergönnt, vermag der Neid nichts].<ref>Übersetzung Dr. Stefan Wiesekopsieker.</ref>
Für die Inschrift am Schwebebalken ist zu beachten, dass diese bei der Abtragung des Putzes im Jahr 1931 derart zerstört vorgefunden wurden, dass die Wörter teilweise rekonstruiert werden mussten. Der Bad Salzufler Historiker und Latinist Dr. Stefan Wiesekopsieker geht aufgrund des Versmaßes und der fehlerhaften Zahlenchiffre – die Gesamtzahl der Buchstaben in der rekonstruierten Fassung entspricht nicht dem Wert 1620, also dem Erbauungsdatum - davon aus, dass das in diesem Kontext gewählte Wort „BENEDICE“ mit großer Sicherheit nicht der Ursprungsform entspricht. Denkbar sei eher eine Inschrift nach der Art „DANTE DEO IOVA NIL VALET INVIDIA“ [Deutsch: Wenn Gott, der Herr, (es) vergönnt, vermag der Neid nichts].<ref>Übersetzung Dr. Stefan Wiesekopsieker.</ref>


==Eigentümer*innen, Bewohner*innen==
==Eigentümer*innen, Bewohner*innen==
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1620/54 Jobst Klodt / Kloett; Kramer u. Weinhändler; verheiratet mit der Tochter des Rittmstr. Gert Cleve.
1620/54 Jobst Klodt / Kloett; Kramer u. Weinhändler; verheiratet mit der Tochter des Rittmstr. Gert Cleve.


1655/71 Johann Koch; Wandschneider u. Linnenhändler; kaufte die Wohnstätte 1655, wohnte früher z.H. in der Unteren Mühlenstraße 12–14 (früher Nr. 10-11); besaß dann zwei Häuser; eins davon kauft 1684 Joh. Barkhausen; Wenkenstraße 17?
1655/71 Johann Koch; Wandschneider u. Linnenhändler; kaufte die Wohnstätte 1655, wohnte früher „zur Heuer“ in der Unteren Mühlenstraße 12–14 (früher Nr. 10-11); besaß dann zwei Häuser; eines davon kauft 1684 Joh. Barkhausen; Wenkenstraße 17?


1683 Jobst Vogett; Bürgermeister
1683 Jobst Vogett; Bürgermeister.


1684 die Witwe des Jobst Vogett
1684 die Witwe des Jobst Vogett.


1684 Johann Barckhausen geboren ca. 1654; gestorben 01.01.1700
1684 Johann Barckhausen; geboren ca. 1654, gestorben am 01.01.1700.


1702 Witwe des Johann Barckhausen; Anna Marg., geborene Giesenbier
1702 Witwe des Johann Barckhausen; Anna Marg., geborene Giesenbier.


1748/55 Friedrich Adolph Barckhausen; Lieutnant, gestorben am 17.10.1757; verheiratet ab dem 21.10.1738 mit Henr. Louise Vogel, jüngste Tochter des Bürgermeisters Vogel
1748/55 Friedrich Adolph Barckhausen; Lieutnant, gestorben am 17.10.1757; verheiratet ab dem 21.10.1738 mit Henr. Louise Vogel, jüngste Tochter des Bürgermeisters Vogel.


1760 Die Witwe des Friedrich Adolph Barckhausen; Haus und Scheune; (700 + 300 Thl.)
1760 Die Witwe des Friedrich Adolph Barckhausen; Haus und Scheune; (700 + 300 Thl.).


1767 Dies.
1767 Dies.
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==Literatur==
==Literatur==


Fred Kaspar / Roberto Arató, Ein gar stattlich Haus. Leben und Wandel in einem niederdeutschen Bürgerhaus der Weser-Renaissance. Dargestellt am Beispiel des Hauses Backs in Bad Salzuflen, Rheda-Wiedenbrück 1989.
Otto Pölert, Alte Häuser Salzuflens. Besitzer, Bewohner, um 1960. Stadtarchiv Bad Salzuflen Msc Nr. 13.


{{PölertHäuser1960}}.
Jürgen Scheffler, Aufbruch in die Moderne. Salzuflen vom letzten Drittel des 18. Jahrhunderts bis zur Gründung des Kaiserreiches, in: Franz Meyer (Hrsg.), Bad Salzuflen. Epochen der Stadtgeschichte, Bielefeld 2007, S. 149-191.


{{WiesekopsiekerInschriften2011}}.
Stefan Wiesekopsieker, Inschriften an Bad Salzufler Häusern (Bad Salzufler Haus- und Hofgeschichten 2), Bad Salzuflen 2011 [2009].
 
Jürgen Scheffler, Aufbruch in die Moderne. Salzuflen vom letzten Drittel des 18. Jahrhunderts bis zur Gründung des Kaiserreiches, in: Franz Meyer (Hrsg.), Bad Salzuflen. Epochen der Stadtgeschichte, Bielefeld 2007, S. 149-191.


==Quellen==
==Quellen==
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