Kirchweg 11 (Heiligenkirchen): Unterschied zwischen den Versionen
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(Die Seite wurde neu angelegt: „Gegründet zwischen 1721 und 1769, ehem. Heiligenkirchen Nr. 24. ==Baugeschichte== Im Salbuch 1721 ist diese Stätte, die danach aus dem Timmermeier’schen Kolonat Unterer Weg 87 (Heiligenkirchen) herausgetrennt wurde, noch nicht vorhanden. Auch von einem Binnenkotten ist noch nicht die Rede. Aus einem solchen ging vor 1769 die Neuwohnerstätte Nr. 24 hervor. 1774 konnte der Besitzer dieser Stätte, der Maurer Bastian, einen Garten bei der Brede, u…“) |
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Gegründet zwischen 1721 und 1769, ehem. Heiligenkirchen Nr. 24. | Gegründet zwischen 1721 und 1769, ehem. Heiligenkirchen Nr. 24. | ||
== | ==Geschichte== | ||
Im Salbuch 1721 ist diese Stätte, die danach aus dem Timmermeier’schen Kolonat [[Unterer Weg 87 (Heiligenkirchen)]] herausgetrennt wurde, noch nicht vorhanden. Auch von einem Binnenkotten ist noch nicht die Rede. Aus einem solchen ging vor 1769 die Neuwohnerstätte Nr. 24 hervor. 1774 konnte der Besitzer dieser Stätte, der Maurer Bastian, einen Garten bei der Brede, unterm Wege, von Watermeier erwerben. Dies geht aus dem Salbuch von 1782 hervor. Bastian ist als Straßenkötter klassifiziert. Er ist der Landesherrschaft leibeigen und entrichtet an diese Weinkauf und Sterbfall. Bastian besitzt ein Wohnhaus (jährliche Steuer 4 rt 18 gr) und, neben dem erwähnten Garten, auch einen beim Hause. Der Besitzer der Stätte Nr. 24 schuldete Timmermeier jährlich drei Handdienste, da sie von Timmermeiers Grund genommen worden war. | Im Salbuch 1721 ist diese Stätte, die erst danach aus dem Timmermeier’schen Kolonat [[Unterer Weg 87 (Heiligenkirchen)]] herausgetrennt wurde, noch nicht vorhanden. Auch von einem Binnenkotten ist noch nicht die Rede. Aus einem solchen ging vor 1769 die Neuwohnerstätte Nr. 24 hervor. 1774 konnte der Besitzer dieser Stätte, der Maurer Bastian, einen Garten bei der Brede, unterm Wege, von Watermeier erwerben. Dies geht aus dem Salbuch von 1782 hervor. Bastian ist als Straßenkötter klassifiziert. Er ist der Landesherrschaft leibeigen und entrichtet an diese Weinkauf und Sterbfall. Bastian besitzt ein Wohnhaus (jährliche Steuer 4 rt 18 gr) und, neben dem erwähnten Garten, auch einen beim Hause. Der Besitzer der Stätte Nr. 24 schuldete Timmermeier jährlich drei Handdienste, da sie von Timmermeiers Grund genommen worden war. | ||
1809 wird ein Kolon Bastian aktenkundig, indem er sich über Handdienste beschwerte | 1809 wird ein Kolon Bastian aktenkundig, indem er sich über Handdienste beschwerte. <ref> LAV NRW OWL, L 92 L / Lippische Rentkammer – Dienste, Nr. 128, darin 6: Kolon Hermann Bastian, Beschwerung mit Handdienst, 1809. </ref> | ||
Am 16.10.1824 verkaufte Maurermeister Bastian seine Straßenkötterstätte für 500 Reichstaler an den Kolon Rennemann Nr. 18 in Berlebeck, einschließlich zweier Kirchenstände. Der Grund waren Bastians hohe Schulden von 450 Talern (300 Taler bei Zuchtmeister Grabbe, 150 Taler bei Kolon Benkelberg im Stemberg). Rennemann übernahm die Schulden und zahlte den Rest von 50 Talern sogleich bar. Am 23.11.1824 genehmigte die Rentkammer den Verkauf. Im darauffolgenden Jahr wurde das Kolonat zu 350 Talern neu taxiert. Rennemann genannt Bastian nahm am 11.9.1826 einen Kredit von 250 Talern auf zur Bezahlung von Schulden. Offenbar hatte er sich damit übernommen, denn am 4.8.1829 verkaufte er das Kolonat an den Juden Isaak Exames in Heiligenkirchen für 520 Taler. Rechnet man die damals üblichen 4 Prozent Zinsen auf diesen Kredit, hatte Rennemann mit dem Immobiliengeschäft einen Verlust gemacht. | Am 16.10.1824 verkaufte Maurermeister Bastian seine Straßenkötterstätte für 500 Reichstaler an den Kolon Rennemann Nr. 18 in Berlebeck, einschließlich zweier Kirchenstände. <ref> LAV NRW OWL, L 108 Detmold Fach 30 Nr. 8 Bd. II, 19. </ref> Der Grund waren Bastians hohe Schulden von 450 Talern (300 Taler bei Zuchtmeister Grabbe, 150 Taler bei Kolon Benkelberg im Stemberg). Rennemann übernahm die Schulden und zahlte den Rest von 50 Talern sogleich bar. Am 23.11.1824 genehmigte die Rentkammer den Verkauf. Im darauffolgenden Jahr wurde das Kolonat zu 350 Talern neu taxiert. Rennemann genannt Bastian nahm am 11.9.1826 einen Kredit von 250 Talern auf zur Bezahlung von Schulden. Offenbar hatte er sich damit übernommen, denn am 4.8.1829 verkaufte er das Kolonat an den Juden Isaak Exames in Heiligenkirchen für 520 Taler. <ref> LAV NRW OWL, L 108 Detmold Fach 30 Nr. 8 Bd. II, 19. </ref> Rechnet man die damals üblichen 4 Prozent Zinsen auf diesen Kredit, hatte Rennemann mit dem Immobiliengeschäft einen Verlust gemacht. | ||
Die Familie Exames (später Examus) lässt sich seit etwa 1745 in Heiligenkirchen nachweisen. Isaak Exames Großvater Isaak Alexander (geb. um 1706, gest. 1791) wohnte 1765 bei Watermeier | Die Familie Exames (später Examus) lässt sich seit etwa 1745 in Heiligenkirchen nachweisen. Isaak Exames Großvater Isaak Alexander (geb. um 1706, gest. 1791) wohnte 1765 bei Watermeier. <ref> LAV NRW OWL, L 77 A Nr. 5405.</ref> Er gab an, seit 20 bis 21 Jahren in Heiligenkirchen gewohnt zu haben, zunächst bei Peter (Nr. 11), dann bei Wellner (Nr. 9) und jetzt bei Watermeier (Nr. 2), mit Frau und Kindern (ein Sohn war bei dem Detmolder Juden Raphael in Diensten). Die Familie lebte vom Viehhandel und Schlachten. Da er die Aufenthaltskonzession von 10 Louis d’or nicht zahlen konnte, sollte er 1769 ausgewiesen werden. Auf sein Gesuch wurde ihm Aufschub bis Ostern 1770 gewährt (1792 ist die Rede davon, dass er die Summe bezahlt hätte). 1792 lebte seine Witwe noch in Heiligenkirchen und bat um ein Geleit für ihren 46 Jahre alten Sohn Alexander Isaak, welcher 1791 die Tochter des Schutzjuden Levi David [Ries] aus Heidenoldendorf geschwängert hatte. Auch er musste die 10 Louis d’or zahlen, was er aber nicht vermochte. Wegen der Schwangerschaft seiner Frau wurde ihm ausnahmsweise eine Konzession gegen 8 Reichstaler jährlich im voraus zu zahlen erteilt. Das Vermögen der Witwe wurde damals als sehr gering eingeschätzt: 5 Zinnschüsseln, 12 Teller, 2 kleine Kupferkessel, 4 Eisentöpfe, ganz schlechte Betten und etwas hölzerne Gerätschaften, im Wert von höchstens 20–25 Talern. Alexander Isaak heiratete 1792 die Tochter des Levi David und zeugte ein weiteres Kind. 1794 war er insolvent, konnte also die 8 Taler nicht zahlen. Untervogt Brönker taxierte sein Vermögen auf 4 rt 2 gr. <ref> LAV NRW OWL, L 77 A Nr. 5405, fol. 132. </ref> Es bestand aus: | ||
* "1 Einen braunen mans Rock 27 gr | * "1 Einen braunen mans Rock 27 gr | ||
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* 8 Die ganzen alten Betten höchten 24 [gr.]." | * 8 Die ganzen alten Betten höchten 24 [gr.]." | ||
Nun wurde ihm eine Ratenzahlung von 24 Mariengroschen monatlich gestattet. Er starb ca. 1803 sehr arm und hinterließ eine Witwe mit sieben Kindern, die bis 1818 dem Staat zur Last fielen. 1818 war | Nun wurde ihm eine Ratenzahlung von 24 Mariengroschen monatlich gestattet. Er starb ca. 1803 sehr arm und hinterließ eine Witwe mit sieben Kindern, die bis 1818 dem Staat zur Last fielen. 1810 musste die Familie, wie alle Juden in Lippe, einen Familiennamen annehmen und wählte den Namen Exames. <ref> Verzeichniß der von den Juden im Fürstenthume Lippe gewählten Familien-Nahmen, Fürstlich Lippisches Intelligenzblatt, 1810, Beilage zum 16. Stück vom 21. April 1810. </ref> | ||
1818 war der älteste Sohn Isaak Exames (geb. 1792) erwachsen. Er suchte unter dem Versprechen, seine Mutter und kleineren Geschwister, worunter der jüngste Bruder Süskind mit verwachsenen Beinen und einem Klumpfuß zählte, zu ernähren, als Schutz- oder tolerierter Jude in Heiligenkirchen aufgenommen zu werden. Trotz Fürsprache in Amt und Bauerschaft zog die Regierung den Fall mit immer neuen Auflagen bis 1825. Vor allem musste er ein nichtjüdisches Gewerbe ausüben, durfte also keinesfalls schlachten oder schachern. Daher verlegte er sich auf das Pottaschebrennen, welches er 1821 bis 1823 in der Möller’schen Stätte gewerblich ausgeübte. Er kaufte dann 1829 die Stätte. | |||
Gegen eine Kaution von 200 rt, die als Grundschuld eingetragen wurde, erhielt er Ende 1825 endlich die Konzession zum Aufenthalt. Welches Kolonat er dabei beleihen konnte, bleibt unklar, denn der Ankauf der Stätte Nr. 24 ist eindeutig erst 1829 erfolgt. Nach Erteilung der Konzession muss er geheiratet haben, 1828 findet sich der Hinweis auf eine Taufscheingebühr. 1837 sollte seine Kaution durch Zwangsversteigerung seines Hauses eingezogen werden, da es sein Gewerbe der Pottasche-Siederei nicht mehr ausübte. Durch Fürsprache in Amt und Bauerschaft konnte die Geldstrafe in einen sechswöchigen Arrest im Strafwerkhaus umgewandelt werden. | Gegen eine Kaution von 200 rt, die als Grundschuld eingetragen wurde, erhielt er Ende 1825 endlich die Konzession zum Aufenthalt. Welches Kolonat er dabei beleihen konnte, bleibt unklar, denn der Ankauf der Stätte Nr. 24 ist eindeutig erst 1829 erfolgt. Nach Erteilung der Konzession muss er geheiratet haben, 1828 findet sich der Hinweis auf eine Taufscheingebühr. 1837 sollte seine Kaution durch Zwangsversteigerung seines Hauses eingezogen werden, da es sein Gewerbe der Pottasche-Siederei nicht mehr ausübte. Durch Fürsprache in Amt und Bauerschaft konnte die Geldstrafe in einen sechswöchigen Arrest im Strafwerkhaus umgewandelt werden. | ||
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[[Datei:HV-Hk_BA-000001 Ausschnitt.jpg|thumb|Blick vom Königsberg, Kirchweg 11 unterhalb der Kirche, um 1900, rechts daneben das eingeschossige Stallgebäude, 1876 als Neuwohnerstätte Nr. 64 abgetrennt, Foto: Archiv Heimatverein Heiligenkirchen]] | [[Datei:HV-Hk_BA-000001 Ausschnitt.jpg|thumb|Blick vom Königsberg, Kirchweg 11 unterhalb der Kirche, um 1900, rechts daneben das eingeschossige Stallgebäude, 1876 als Neuwohnerstätte Nr. 64 abgetrennt, Foto: Archiv Heimatverein Heiligenkirchen]] | ||
Handelsmann Simon Exames Nr. 24 verkaufte 1870 den Gemeinheitsnutzen für 1 Rind an Köllermeier Nr. 3. Gegen den Verkauf war bezüglich der ingrossierten 150 und 50 rt nichts zu erinnern. <ref>LAV NRW OWL, L 108 Detmold / Amt Detmold, Fach 30 Nr. 8 - Band VI, 99.</ref> | |||
1874 verkaufte Kolon Konrad Köster sein Kolonat Nr. 15 in zwei Teilen an den Einlieger Simon Plöger und den Handelsmann Simon Exames Nr. 24, beide aus Heiligenkirchen. An Plöger das Wohnhaus, den Garten beim Haus und Länderei im Sieke für 1200 rt und an Exames den Garten beim Kruge zu 5 Metzen und Land "im Südloh" 2 Scheffelsaat 1 Metze für 700 rt. | |||
1876 kam es zur Dismembration (Teilung) der Stätte und dem Verkauf durch seine minderjährigen Erben. Vormund war Levi Heinemann in Detmold. Sie veräußerten von ihrem Kolonat das Wohnhaus, den Garten beim Hause (3,75 Quadratruten) und einen Teil vom Hofraum (1 Metze 4,35 Quadratruten) für 3.000 Mark an den Handelsmann Heinrich Benkelberg in Heiligenkirchen. <ref> LAV NRW OWL, L 108 Detmold / Amt Detmold, Fach 30 Nr. 8 - Band VII, 21. </ref> Die auf dem Hofraum befindliche Scheune (an anderer Stelle das Viehhaus genannt), den Rest des Hofraums zu 6,94 Quadratruten und den Garten bei der Brede unterm Wege (3 Metzen) ging für 2.700 Mark an den Einlieger Friedrich Krüger zur Bildung der Neuwohnerstätte Nr. 64. Verkauft wurde alles mit dem Wohnhaus verbundene außer dem Ofen in der Wohnstube, der Kochmaschine in der Küche und einer Winde auf dem Flur, ferner der Krippen in der Scheune und der Waschmaschine (sic) daselbst. Der erst 1874 vom Kolonat Nr. 15 zugekaufte Garten beim Kruge wurde laut Salbuch 1876 an Wendt Nr. 23 verkauft. Benkelberg hatte das Kolonat Nr. 24 nur zur Spekulation erworben und verkaufte es 1877 weiter an den Kaufmann Abraham Sondermann in Horn, von dem es 1885 an den Handelsmann Heinrich Buerkämper ging. | |||
Um 1900 wurde das kleine Fachwerkhaus durch einen Bruchsteinbau ersetzt. | Um 1900 wurde das kleine Fachwerkhaus durch einen Bruchsteinbau ersetzt. | ||
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==Literatur== | ==Literatur== | ||
Joachim Kleinmanns, Die jüdische Familie Examus in Detmold, in: Rosenland. Zeitschrift für lippische Geschichte, Nr. 28 (2023), in Druck. | |||
==Quellen== | ==Quellen== | ||
LAV NRW OWL, L 108 A Nr. 133, Vormundschaftsprotokolle, Stättenabtretungsprotokolle Amt Detmold, 1642–1661, fol. 325; – L 108 A Nr. 134, fol. 521; – L 108 A Detmold Nr. 135, S. 52 | LAV NRW OWL, L 108 A Nr. 133, Vormundschaftsprotokolle, Stättenabtretungsprotokolle Amt Detmold, 1642–1661, fol. 325; – L 108 A Nr. 134, fol. 521; – L 108 A Detmold Nr. 135, S. 52. | ||
LAV NRW OWL, L 108 A, Nr. 138, Vormundschaftsprotokolle, Stättenabtretungsprotokolle Amt Detmold, S. 38 und 238. | |||
L 108 Detmold / Amt Detmold, Fach 30 Nr. 8 - Band II, V, VI und VII. | LAV NRW OWL, L 108 Detmold / Amt Detmold, Fach 30 Nr. 8 - Band II, 19; V, 76; VI, 90 und 99; VII, 21. | ||
==Weblinks== | ==Weblinks== | ||
https://www.gedenkbuch-detmold.de/index.php/gedenkbuch/72-die-opfer-in-alphabetischer-reihenfolge/biographien/e-biographien/721-examus-julius. | https://www.gedenkbuch-detmold.de/index.php/gedenkbuch/72-die-opfer-in-alphabetischer-reihenfolge/biographien/e-biographien/721-examus-julius. | ||
== Einzelnachweise == | |||
<references /> | |||
[[Category:Binnenkotten]] | |||